Antidepressiva könnten Demenzrisiko erhöhen

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Der mögliche Einfluss auf eine Erkrankung ist statistisch größer als die negative Wirkung von Rauchen und Übergewicht

Depression im Alter kann unterschiedliche Ursachen haben, darunter genetische Veranlagung, Gebrechlichkeit und Vereinsamung.

Depression im Alter kann unterschiedliche Ursachen haben, darunter genetische Veranlagung, Gebrechlichkeit und Vereinsamung.

© Gerd Altmann / pixabay.com, CC0 1.0 Universell (CC0 1.0), https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de

Haifa (Israel) –

Die Einnahme von Medikamenten gegen depressive Störungen könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an einer Demenz zu erkranken. Darauf weisen die Ergebnisse einer israelischen Studie hin. Bei den über 60-jährigen Teilnehmern war das Demenzrisiko für diejenigen, die mit einem Antidepressivum behandelt wurden, mehr als dreimal größer als für die Vergleichsgruppe. Die statistische Auswertung berücksichtigte zahlreiche weitere Einflussfaktoren und spricht für eine sehr wahrscheinlich ursächliche Beziehung. Daher sei vor dem Einsatz solcher Medikamente bei alten Menschen ein besonders sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Risiken zu empfehlen, betonen die Wissenschaftler im „American Journal of Geriatric Psychiatry“.

„Ärzte, Pflegende und Patienten sollten diese mögliche negative Wirkung der Antidepressiva berücksichtigen und dabei schädliche Nebenwirkungen und symptomatischen Nutzen gegeneinander abwägen“, schreiben Stephen Levine von der University of Haifa und seine Kollegen. Etwa fünf Prozent der über 60-jährigen Menschen seien von einer Demenz betroffen und knapp zwei Prozent litten unter depressiven Störungen. Bisherige Studien konnten nicht eindeutig klären, ob eine medikamentöse Behandlung von Depressionen das Demenzrisiko erhöht oder sogar senkt. Antidepressiva könnten einerseits die Funktion bestimmter Hirnzellen schädigen, andererseits aber auch die Neubildung von Neuronen anregen oder Entzündungen hemmen und damit kognitive Leistungen verbessern.

An der neuen, prospektiven Studie nahmen 71.515 Männer und Frauen im Alter zwischen 63 und 105 Jahren teil, die zu Beginn keine Anzeichen einer Demenz zeigten und nicht medikamentös gegen Depressionen behandelt wurden. Innerhalb von durchschnittlich viereinhalb Jahren hatten 2175 Personen eine Demenz entwickelt. Daran erkrankten 11 Prozent von denen, die im Verlauf der Studie ein Antidepressivum eingenommen hatten, aber nur 2,6 Prozent der anderen. In der erstgenannten Gruppe war das Demenzrisiko nach Berücksichtigung von bis zu 42 zusätzlichen Einflussfaktoren 3,4-mal größer als in der Vergleichsgruppe. Dies sei nach Ansicht der Autoren ein beträchtlicher Unterschied im Hinblick darauf, dass Risikofaktoren wie Rauchen und Übergewicht die Wahrscheinlichkeit einer Demenz nur etwa 1,6-fach erhöhen. Die Ergebnisse waren unabhängig von der Art des jeweils verwendeten Antidepressivums.

Dass sich Depressionen und Demenz ohne ursächlichen Zusammenhang parallel entwickelt haben, halten die Forscher aufgrund weiterer statistischer Analysen für unwahrscheinlich. Auch die mögliche Erklärung, dass die mit einem Antidepressivum behandelte Personengruppe insgesamt kränker war als die andere und deshalb eher an einer Demenz erkrankt sein könnte, bestätigte sich nicht. Der biologische Mechanismus, durch den Antidepressiva wahrscheinlich das Demenzrisiko erhöhen, ist noch nicht bekannt.

© Wissenschaft aktuell

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