Fett macht Schokolade zartschmelzend

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Eine künstliche Zunge ermöglicht genormte Messungen des Essgefühls

Fett macht Schokolade zartschmelzend

Fett macht Schokolade zartschmelzend

© Shizhao, Wiki Media / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chocolate02.jpg

Leeds (Großbritannien) –

Mit gut neun Kilogramm pro Jahr ist Schokolade die beliebteste Süßigkeit der Deutschen. Nicht nur der Geschmack, sondern auch das angenehme Essgefühl beim Schmelzen im Mund spielt für diesen Erfolg eine wichtige Rolle. Um diesen meist subjektiven Eindruck besser bestimmen und in konkrete Zahlen fassen zu können, entwickelten nun britische Lebensmittelforscher eine künstliche Zunge. Ein erstes Ergebnis ihrer Messungen präsentieren sie nun in der Fachzeitschrift „ACS Applied Materials & Interfaces“: Der Fettanteil in der Schokolade ist wesentlich für das seidige Schmelzen im Mund verantwortlich.

Das Empfinden im Mund ist ein komplexes Wechselspiel aus dem Schmelzvorgang und den wirkenden Reibungskräften zwischen Zunge und einem Stück Schokolade. Für dessen Analyse formten Anwesha Sarkar und ihre Kollegen von der University of Leeds eine künstliche Zunge aus dem flexiblen Silikonkunststoff Polydimethylsiloxan. In die knapp fünf Zentimeter breite und vier Millimeter dicke Silikon-Zunge integrierten sie mit einem 3D-Druckverfahren die winzigen Strukturen der natürlichen Geschmackssensoren, die Papillae. Zufällig verteilten sie etwa 200 winzige Zylinder und 20 Minikugeln über die Zungenoberfläche. Diese 250 bis 500 Mikrometer hohen Strukturen imitierten die filiform oder fungiform genannten Papillae.

Diese künstliche Zunge bewegten die Forschenden nun viele Male über ein Stück Schokolade während des Schmelzvorgangs. Dabei ließen sich mit einem so genannten Triborheometer die Reibungskräfte exakt messen. So konnten die Forschenden drei verschiedene Phasen während des Verspeisens genauer analysieren: das Lecken über ein festes Stück Schokolade, das Zungengefühl während des Schmelzens und schließlich das Schlucken der flüssigen Mischung aus Schokolade und Speichel.

Ihre Versuche wiederholten die Forschenden mit dunkler Schokolade mit verschiedenen Fettanteilen. Bewusst verzichteten sie auf süßere Vollmilchvarianten, um eine Verfälschung der Messungen etwa durch höhere Milchanteile zu vermeiden. Dabei zeigte sich, dass in den ersten beiden Phasen – Lecken und Kauen – das angenehm seidige Gefühl mit steigendem Fettanteil zunahm. Beim Schlucken der Speichel-Schokolade-Mischung ging diese Glitschigkeit mit höheren Fettanteilen dagegen deutlich zurück. Für diesen Wechsel machten Sarkar und Kollegen die Bildung von winzigen, etwa 200 Mikrometer durchmessenden Tropfen verantwortlich.

Diese Messungen erklären nicht nur das Empfinden beim Verzehr von Schokolade. Mit solchen künstlichen Zungen könnten nun auch neue Schokoladevarianten entwickelt werden. Beispielsweise ließe sich fettärmere Sorten entwickeln mit einem höheren Fettanteil nur an der Oberfläche. So könnten Verbraucher weiterhin das seidige Schmelzen genießen, zugleich aber weniger Fette in den Körper aufnehmen.

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Krebsmittel wirkt gegen Übergewicht

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Ein pflanzliches Alkaloid, das in hoher Konzentration Krebswachstum hemmt, unterdrückt in geringerer Dosierung das Hungergefühl und senkt das Körpergewicht fettleibiger Mäuse

Der Chinesische Krebs- oder Glücksbaum (Camptotheca acuminata) bildet das Alkaloid Camptothecin.

Der Chinesische Krebs- oder Glücksbaum (Camptotheca acuminata) bildet das Alkaloid Camptothecin.

© US National Institutes of Health / gemeinfrei

Shaanxi (China) –

Für einen pflanzlichen Wirkstoff, der die Vermehrung von Krebszellen hemmt, haben chinesische Forscher jetzt noch eine ganz andere therapeutische Verwendung entdeckt: Das oral verabreichte Alkaloid Camptothecin verringerte die Nahrungsaufnahme und senkte das Körpergewicht von fettleibigen Mäusen. Dieser Effekt kommt dadurch zustande, dass sich die Produktion eines Hormons verstärkt, welches das Hungergefühl unterdrückt. Die gewichtssenkende Wirkung von Camptothecin erwies sich als unabhängig vom Wirkmechanismus gegen Krebs und erfolgte schon bei einer im Vergleich dazu deutlich geringeren Dosierung, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „PLoS Biology“. Weitere Studien sollen nun prüfen, ob der Wirkstoff auch bei längerer Einnahme gut verträglich ist und zu einer langsam fortschreitenden Gewichtsabnahme führt.

„Unsere Ergebnisse liefern überzeugende Argumente dafür, dass Camptothecin einen therapeutischen Nutzen gegen Fettleibigkeit und die damit verbundenen Stoffwechselstörungen hat“, sagt Jiang Wei Wu von der Northwest A&F University in Shaanxi. Vor einem klinischen Einsatz müssten aber Wirksamkeit und Sicherheit einer Behandlung noch genauer beurteilt werden. Ausgangspunkt der Forschungsarbeiten war die Tatsache, dass ein erhöhter Blutspiegel des Hormons GDF15 (Wachstumsdifferenzierungsfaktor-15) das Körpergewicht senkt. Die Wissenschaftler suchten daher nach Wirkstoffen, die die Produktion dieses Hormons verstärken.

Für ihr Screening nutzten sie menschliche Zellkulturen und testeten die Wirkung von mehr als 6000 Substanzen auf die Aktivierung des GDF15-Gens. Einen besonders starken Effekt zeigte Camptothecin, das in Holz und Frucht des Chinesischen Glücksbaums (Camptotheca acuminata) enthalten ist. Diese Substanz hemmt die Zellteilung und wurde deshalb bereits in klinischen Studien für die Eignung als Krebsmedikament geprüft. Starke Nebenwirkungen führten aber zum Abbruch der weiteren Entwicklung zum Arzneimittel.

Einmal täglich oral verabreicht, verstärkte Camptothecin bei fettleibigen Mäusen die GDF15-Produktion in der Leber und bewirkte einen schnellen Anstieg des Hormonspiegels im Blut. Infolgedessen verringerten die Tiere innerhalb eines Monats ihre Nahrungsaufnahme um zwölf Prozent, wobei das Körpergewicht um elf Prozent sank. Bei schlanken Mäusen hatte die Behandlung keinen Effekt. Die bei diesen Versuchen eingesetzte Dosis betrug – umgerechnet auf das Körpergewicht – nur ein Dreißigstel der geringsten in den Krebsstudien bei Menschen verwendeten Dosis. Die geringe gewichtssenkende Konzentration des Wirkstoffs hatte keine krebshemmende Wirkung mehr und damit auch keine der zellschädigenden Nebenwirkungen. Camptothecin erhöhe den Blutspiegel an GDF15, so dass es an spezielle Rezeptoren von Hirnzellen binden und damit das Hungergefühl verringern kann, sagt Wu. Das eröffne eine ganz neue Möglichkeit für die Behandlung von Fettleibigkeit.

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Anti-Aging durch Lachen mit Freunden

Wer im Alter häufiger zusammen mit anderen lacht, bleibt beim Älterwerden länger selbstständig

Nagoya (Japan) –

Ein selbstständiges Leben bis ins hohe Alter: Das gelingt Menschen offenbar eher, wenn sie häufig in Gesellschaft mit Freunden lachen. Zu diesem Ergebnis ihrer prospektiven Beobachtungsstudie kommen japanische Forscher im Fachblatt „Preventive Medicine“. Demnach konnten ältere Männer und Frauen, die öfter mit Bekannten und Familienangehörigen lachen, ihre Alltagsaktivitäten länger selbstständig bewältigen als Vergleichspersonen, die beim Lachen meist allein vor einem Bildschirm sitzen. Durch welchen Mechanismus die mögliche kausale Verbindung zustande kommt, ist noch nicht geklärt.

„Lachen mit Freunden fördert die Gesundheit, zum Beispiel durch Stressabbau, Stärkung des Immunsystems und Gefühle sozialer Verbundenheit“, sagt Erstautor Yudai Tamada von der Nagoya University Graduate School of Medicine. Auf welche Weise diese bekannten Wirkungen beim Älterwerden dabei helfen könnten, im Alltag möglichst lange allein zurechtzukommen, müssten weitere Untersuchungen zeigen. An der Studie beteiligten sich 12.571 über 64-Jährige, die bei Tätigkeiten wie Körperpflege, Ankleiden und Zubereitung der Mahlzeiten noch nicht auf Unterstützung angewiesen waren.

Mit Hilfe von Fragebögen ermittelten die Forscher, wie häufig, mit wem und in welchen Situationen die Probanden in ihrem Alltag lachten. Dabei lagen die Angaben zur Häufigkeit zwischen „fast täglich“ und „an ein bis drei Tagen im Monat“. Ansonsten ergab sich eine Einteilung in drei Gruppen: knapp zehn Prozent lachten nur allein, beispielsweise vor dem Fernseher, am Computer oder beim Lesen, 21 Prozent waren dabei stets mit anderen zusammen und eine Mehrheit von 69 Prozent nannte beide Situationen. Am häufigsten lachten die Menschen vor dem Bildschirm und bei der Unterhaltung mit Freunden. Für die statistische Auswertung wurden zahlreiche mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt, darunter Alter, Geschlecht, Familienstand, Bildungsstand, depressive Störungen und andere Erkrankungen.

Im Lauf von sechs Jahren berichteten 1420 Personen über erste Einschränkungen in ihren Alltagsaktivitäten. Diese traten im Beobachtungszeitraum umso seltener auf, je mehr Gelegenheiten jemand hatte, mit anderen zu lachen. Insgesamt lag die Wahrscheinlichkeit, an Selbstständigkeit zu verlieren, bei häufigem Lachen mit Freunden etwa 30 Prozent niedriger als für diejenigen, die beim Lachen allein blieben. Der Unterschied war geringer, wenn nur mit dem Ehepartner oder nur mit den Kindern gelacht wurde. Alter und Geschlecht der Probanden spielten für die Auswertung keine Rolle.

„Wir können daraus nicht eindeutig schließen, dass das Lachen selbst den Beginn von Behinderungen im Alter verhindern kann“, schreiben die Forscher. Wichtig sei ein durch gemeinsames Lachen erzeugtes Gefühl der Verbundenheit und die Stärkung sozialer Beziehungen. Nur beides zusammen könne dazu beitragen, das Risiko für altersbedingte Einschränkungen zu senken. Um eine Kausalität definitiv nachzuweisen, sind weitere Studien nötig.

Parodontitis: Neue Krankheitsursache – neuer Therapieansatz

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Bakterielle Infektion verstärkt Ablagerungen von Fibrin auf der Mundschleimhaut, was gewebeschädigende Reaktionen von Immunzellen auslöst

Bei Patienten mit Parodontitis (rechts) bilden sich im Zahnfleisch größere Mengen an Fibrin (rot gefärbt) als bei gesunden Menschen (links).

Bei Patienten mit Parodontitis (rechts) bilden sich im Zahnfleisch größere Mengen an Fibrin (rot gefärbt) als bei gesunden Menschen (links).

© Lakmali Silva, NIDCR

Bethesda (USA) –

Parodontitis ist eine durch Bakterien ausgelöste chronische Entzündung des Zahnhalteapparats. Aber die bakterielle Infektion ist nicht die alleinige Ursache für die fortschreitende Schädigung von Zahnfleisch, Zähnen und Kieferknochen, die zum Zahnausfall führt. Wie amerikanische Forscher jetzt berichten, spielen dabei auch Ablagerungen von Fibrin auf der Mundschleimhaut eine wichtige Rolle. Wird dieses Protein nicht schnell wieder beseitigt, lagern sich bestimmte Immunzellen dort an. Dieser Kontakt löst die Freisetzung aggressiver Substanzen aus, die für die großen Gewebeschäden verantwortlich sind, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“. Die Schädigung blieb aus, wenn das Andocken der Immunzellen an das Fibrin verhindert wurde, woraus sich neue Möglichkeiten einer Therapie ergeben.

„Unsere Arbeiten haben gezeigt, dass Fibrin unter bestimmten Bedingungen die schützende Immunfunktion der Neutrophilen in eine schädigende verwandeln kann“, sagt Niki Moutsopoulos vom National Institute of Dental and Craniofacial Research (NIDCR) in Bethesda. Fibrin ist einerseits ein wichtiger Faktor der Blutgerinnung. Es ist aber auch an der Immunabwehr beteiligt, indem es Immunzellen wie die neutrophilen Granulozyten, auch Neutrophile genannt, bei engem Kontakt dazu anregt, Krankheitserreger zu zerstören. Das schädigt auch Körperzellen. Um diesen Kollateralschaden zu begrenzen, wird abgelagertes Fibrin normalerweise durch das Enzym Plasmin schnell wieder beseitigt.

Die Forscher untersuchten zunächst genetisch veränderte Mäuse, die das eiweißspaltende Plasmin nicht mehr bilden konnten. Bei diesen Tieren entstanden starke Ablagerungen von Fibrin auf Zahnfleisch und Mundschleimhaut und es entwickelten sich Zahnfleischentzündungen und andere Symptome einer Parodontitis. Ein ähnliches Krankheitsbild ist auch bei Menschen bekannt, deren Fibrinabbau aufgrund von Mutationen gestört ist. Das abgelagerte Fibrin aktivierte bei den Mäusen das Immunsystem: Es lagerten sich in großer Zahl Immunzellen aus der Gruppe der Neutrophilen an die Fibrinmoleküle an. Das löste Reaktionen der Immunabwehr in diesen Zellen aus, wie zum Beispiel die Freisetzung reaktiver Sauerstoffverbindungen, die normalerweise als kurzzeitig eingesetzte Waffe gegen eingedrungene Erreger dienen. Wegen des fehlenden Fibrinabbaus hielten die Entzündungsreaktionen zu lange an, so dass größere Schäden von Zahnfleisch und Knochengewebe entstanden.

Bei Mäusen, die kein Plasmin und ein Fibrin mit veränderter Molekülstruktur bildeten, lagerte sich zwar Fibrin ab und es sammelten sich Neutrophile an. Doch eine Bindung des Fibrins an den Rezeptor der Immunzellen war nicht mehr möglich. Daher blieben Gewebsschädigungen und die Entwicklung einer Parodontitis aus. Auch bei normalen Mäusen, die altersbedingt Anzeichen einer Parodontitis entwickelt hatten, ließ sich durch Blockade des Kontaktes zwischen Fibrin und Neutrophilen die Zerstörung von Knochengewebe verhindern. Daraus ergebe sich nach Ansicht der Forscher eine vielversprechende Möglichkeit der Vorbeugung oder Therapie von Parodontitis. Nach Untersuchungen anderer Forscher könnten verstärkte Fibrinablagerungen in anderen Körperregionen auch zu chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis und Multiple Sklerose beitragen.

© Wissenschaft aktuell

Wie Schokolade die Stimmung hebt

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Täglicher Verzehr von Schokolade mit sehr hohem Kakaoanteil verändert die Darmflora und wirkt – wahrscheinlich dadurch – antidepressiv

Inhaltsstoffe dunkler Schokolade beeinflussen Mikrobiom und Hirnfunktionen.

Inhaltsstoffe dunkler Schokolade beeinflussen Mikrobiom und Hirnfunktionen.

© Simon A. Eugster, Creative Commons License CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Seoul (Südkorea) –

Wer täglich dunkle Schokolade isst, verbessert sein emotionales Befinden. Dafür könnten bestimmte Veränderungen der Darmflora verantwortlich sein, berichten koreanische Ernährungswissenschaftler. Doch damit sich die Stimmung messbar verbessert, muss der Kakaogehalt der verzehrten Schokolade bei mindestens 85 Prozent liegen, wie die Forscher im „Journal of Nutritional Biochemistry“ berichten. Innerhalb von drei Wochen erhöhte sich bei den Testpersonen ihrer Studie die Artenvielfalt der Darmbakterien. Insbesondere verstärkte sich die Vermehrung von Bakterien der Gattung Blautia. Von diesen Mikroben freigesetzte Stoffwechselprodukte könnten über die Darm-Hirn-Achse Funktionen des Gehirns beeinflussen und eine antidepressive Wirkung entfalten.

„Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass das Darmmikrobiom gesunder Menschen einen höheren Anteil an Blautia-Bakterien enthält als das Mikrobiom von Patienten mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Autismus und Schizophrenie“, schreiben die Wissenschaftler um Dong-Mi Shin von der Seoul National University. In ihrer Studie untersuchten sie, welchen Einfluss ein täglicher Verzehr von Bitterschokolade auf die Zusammensetzung der Darmflora und die Stimmung der Probanden hat. Sowohl über das Nervensystem als auch über bakterielle Stoffwechselprodukte, die in das Blut gelangen, besteht eine enge Verbindung zwischen Darm und Gehirn – die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Daher könnte sich eine veränderte Darmflora auch auf Funktionen im Gehirn auswirken.

An der Studie beteiligten sich 46 gesunde Frauen und Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Einige erhielten abgewogene Portionen von Schokolade mit einem Kakaoanteil von entweder 70 oder 85 Prozent. Jede dieser Testpersonen aß drei Wochen lang morgens, mittags und abends jeweils 10 Gramm der zugeteilten Schokolade. Eine dritte Gruppe, die im gleichen Zeitraum keine Schokolade verzehrte, diente als Kontrolle. Stuhlproben vor Beginn und am Ende der Testphase wurden molekularbiologisch analysiert, um das gesamte Artenspektrum an Darmbakterien – das individuelle Mikrobiom jeden Teilnehmers – zu ermitteln. Mit Hilfe standardisierter Fragebögen gaben alle Probanden vorher und nachher Auskunft über ihre Stimmungslage.

Es ergab sich kein Unterschied in den Veränderungen des emotionalen Befindens zwischen der Kontrollgruppe und denen, die Schokolade mit 70 Prozent Kakaoanteil gegessen hatten. Wurde Schokolade mit dem höheren Kakaogehalt konsumiert, stellten die Forscher eine statistisch relevante positive Veränderung der Stimmung fest. Diese Personen hatten pro Tag mit der Schokolade umgerechnet etwa 400 Milligramm darin enthaltener Polyphenole zu sich genommen. Bei der anderen Schokoladengruppe waren es nur 250 Milligramm. Aus einer früheren Studie war bekannt, dass eine antidepressive Wirkung von direkt verabreichten Polyphenolen erst ab einer Dosis von mehr als 250 Milligramm pro Tag feststellbar ist. Der Schokoladeneffekt könnte also auf den im Kakao enthaltenen Polyphenolen beruhen – das wären vor allem Catechin und Epicatechin. Diese Inhaltsstoffe sind in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen und als Antioxidans eine Schutzwirkung für Neuronen zu entfalten.

Vergleichende Analysen des Darmmikrobioms erfolgten nur für die Kontrollgruppe und diejenigen, die Schokolade mit 85 Prozent Kakao erhalten hatten. Dabei zeigte sich, dass der Schokoladenkonsum die Artenvielfalt der Darmbakterien erhöhte. Außerdem war der Anteil an Bakterien der Art Blautia obeum gestiegen, während der Anteil einer anderen Art, Faecalibacterium prausnitzii, gesunken war. Je stärker sich das Artenspektrum verbreiterte und je stärker der Blautia-Anteil stieg, desto deutlicher verbesserte sich die Stimmung einer Testperson. Blautia-Bakterien setzen Buttersäure frei, die im Gehirn wahrscheinlich eine antidepressive Wirkung hat. Die Vermehrung dieser Bakterien anzuregen, wäre daher nach Ansicht der Autoren eine Möglichkeit, um depressive Störungen zu behandeln.

Optimal umarmt

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Um als angenehm empfunden zu werden, sollte eine Umarmung nicht zu kurz sein, die Position der Arme ist dagegen kaum von Bedeutung

Die zweithäufigste Form der Umarmung

Die zweithäufigste Form der Umarmung

© Clker-Free-Vector-Images, https://pixabay.com/de/service/license/

London (Großbritannien) –

Umarmungen wirken sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus: Der Blutdruck sinkt, die Stimmung bessert sich und das Immunsystem wird stimuliert. Wie man den stärksten Wohlfühleffekt beim Umarmen erzeugt, haben britische Psychologen jetzt genauer untersucht. Demnach sollte der enge Körperkontakt mindestens fünf Sekunden anhalten, wobei die Position der Arme weniger wichtig ist, schreiben die Forscher im Fachblatt „Acta Psychologica“. Männer umarmen sich meist, indem sie einen Arm hinter der Schulter und den anderen hinter der Hüfte des anderen positionieren. Bei Frauen werden häufiger mit beiden Armen entweder die Schultern oder die Hüfte umfasst. Der optimale Umarmungsdruck ist noch ungeklärt. Der dürfte wohl von der jeweiligen Situation und der persönlichen Beziehung zwischen den Umschlungenen abhängen.

„Bisherige Forschungen haben ergeben, dass Umarmungen als emotionale Stütze dienen und beim Stressabbau helfen könnten“, schreiben die Forscher um Michael Banissy von der University of London. Es sei aber nicht ausreichend untersucht, wie Dauer und Art der Umarmung die erzeugten Gefühle beeinflussen. An einer ersten Laborstudie beteiligten sich 45 junge Frauen. Deren Aufgabe bestand darin, mit verbundenen Augen eine für sie fremde Frau eine, fünf und zehn Sekunden lang auf zwei verschiedene Arten zu umarmen: Entweder umfassten beide Personen mit je einem Arm Schulter und Hüfte der anderen – was generell der am häufigsten praktizierten Form der Umarmung entspricht. Oder die eine Frau legte beide Arme um die Schultern ihrer Partnerin, während diese deren Hüfte umfasste. Sofort danach sowie drei und sechs Minuten später bewerteten die Probandinnen auf einer Skala von 1 bis 100, wie angenehm sie die Umarmung empfanden. Es zeigte sich, dass der Wohlfühleffekt nach den beiden länger andauernden Umarmungen stärker war, die Position der Arme spielte dagegen kaum eine Rolle.

Im zweiten Teil der Studie forderten die Forscher meist junge männliche und weibliche Passanten auf dem Uni-Campus auf, sich zu umarmen. Dabei wurde die emotionale Beziehung zwischen den jeweiligen Paaren dokumentiert. Die Auswertung von hundert Umarmungen zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mehr als 80 Prozent der Männer umarmten einen anderen Mann mit einem Arm um die Schulter und den anderen um die Hüfte. Doch fast 50 Prozent der Frauen wählten die alternative Methode, wenn sie eine Frau oder einen Mann umarmten. Weder die emotionale Beziehung noch Unterschiede in der Körpergröße der Testpaare hatten einen Einfluss auf die Armposition. Ob sich sehr große Unterschiede in der Körpergröße nicht doch auf die Art der Umarmung auswirken würden, müssten größere Studien klären. Anderen Untersuchungen zufolge dauert eine Umarmung im Schnitt drei Sekunden. Ab welcher Dauer sie als unangenehm empfunden wird und welche Bedeutung der mit den Armen ausgeübte Druck dabei hat, ist ebenfalls noch nicht untersucht.

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Alternative Hypothese: Autismus verändert Darmflora

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Die Erkrankung kann zu ungesunder Ernährung führen, dadurch das Mikrobiom des Darms beeinträchtigen und Verdauungsstörungen verursachen

Bei Autisten könnte einseitige Ernährung die Darmflora verändern und Verdauungsstörungen verursachen.

Bei Autisten könnte einseitige Ernährung die Darmflora verändern und Verdauungsstörungen verursachen.

© Chloe Yap, License: CC BY-SA

Brisbane (Australien) –

Autisten haben oft auch eine veränderte Darmflora und leiden unter Durchfall und anderen Verdauungsstörungen. Frühere Untersuchungen ließen einen kausalen Zusammenhang vermuten. Demnach beeinflussen veränderte biochemische Aktivitäten der Darmbakterien bestimmte Hirnfunktionen und verursachen dadurch autistische Krankheitssymptome. Doch nach den Resultaten einer neuen australischen Studie ist eine umgekehrte Beziehung wahrscheinlicher: Wenn die Erkrankten Essgewohnheiten entwickeln, die zu einer sehr einseitigen Ernährung führen, könnte das die Darmflora verändern und die Verdauung stören, schreiben die Forscher im Fachblatt „Cell“. Daher wären Behandlungen mit probiotischen Bakterien oder Kottransplantationen zur Normalisierung der Darmflora voreilig, wenn bei der Therapie nicht auch die Ernährung der Patienten berücksichtigt würde.

„Unsere Ergebnisse machen deutlich, welchen bisher unterschätzten Wert die Ernährung für autistische Kinder hat: Sie ist von großer klinischer Bedeutung für die generelle Gesundheit und das Wohlbefinden der Patienten“, sagt Jacob Gratten von der University of Queensland in Brisbane. In der bisher größten Studie dieser Art untersuchten die Wissenschaftler Stuhlproben von 247 Kindern im Alter zwischen 2 und 17 Jahren. Bei 99 dieser Kinder war eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert worden. Mit Hilfe von DNA-Analysen ermittelten die Forscher das individuelle Spektrum sämtlicher Arten der Darmbakterien – das so genannte Mikrobiom. Als mögliche Einflussfaktoren berücksichtigten sie zusätzlich Alter und Geschlecht sowie Angaben zur Ernährung jedes einzelnen Probanden. Die Konsistenz des Stuhls lieferte Hinweise auf eine normale oder gestörte Verdauung.

Die Wissenschaftler identifizierten insgesamt mehr als 600 Arten von Darmbakterien. Im Gegensatz zu früheren Studien ergab sich aber nur ein schwacher direkter Zusammenhang zwischen dem individuellen Artenspektrum des Mikrobioms und einer Autismusdiagnose. Eine weit eindeutigere Beziehung bestand dagegen zwischen Symptomen der Krankheit und den Essgewohnheiten: Autistische Kinder waren im Vergleich zu den gesunden oft sehr wählerisch bei der Wahl ihrer Speisen, ernährten sich eher einseitig bei insgesamt schlechterer Qualität der Nahrungsmittel. Auch einzelne für Autisten typische Verhaltensmerkmale wie begrenzte Interessen, Kommunikationsprobleme, ungewöhnliche Sinnesleistungen und Zwangsstörungen waren eng verbunden mit einer wenig abwechslungsreichen Ernährung.

„Unsere Daten unterstützen ein einfaches und intuitives Modell, wonach Merkmale autistischen Verhaltens zu stark eingeschränkten Nahrungsvorlieben führen“, sagt Erstautorin Chloe Yap. Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten könnten eine Rolle spielen. Die daraus resultierende verminderte Artenvielfalt des Mikrobioms sei die wahrscheinliche Ursache für flüssigen Stuhl und eine gestörte Darmfunktion. „Wir warnen davor zu behaupten, das Mikrobiom sei die treibende Kraft bei der Entwicklung autistischer Störungen“, erklären die Autoren. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Veränderungen der Darmflora bereits vor der Autismusdiagnose eine krankheitsfördernde Wirkung haben und das spätere Verhalten beeinflussen könnten. Weitere Studien seien nötig, um die Zusammenhänge zwischen Autismus, Ernährung und Mikrobiom endgültig zu klären. Autismus-Spektrum-Störungen haben genetische Ursachen, doch der genaue Mechanismus der Krankheitsentstehung ist noch unbekannt.

© Wissenschaft aktuell

Lachen lernen

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Im Lauf der ersten beiden Lebensjahre entwickeln Kinder die typische Form des menschlichen Lachens, wobei neben anatomischen Veränderungen auch Lernprozesse eine Rolle spielen könnten

Gemeinsames Lachen verbindet.

Gemeinsames Lachen verbindet.

© U.S. Navy / gemeinfrei

Leiden (Niederlande) –

Schimpansen lachen anders: Während erwachsene Menschen dabei stets ausatmen, erzeugen Affen ihre Lachlaute beim Aus- und Einatmen. Jetzt haben niederländische Forscherinnen herausgefunden, dass sich die Technik des Lachens beim Säugling über einen längeren Zeitraum entwickelt. Ab einem Alter von etwa drei Monaten lachen Kinder zunächst auf ähnliche Weise wie Schimpansen. Bis zum Alter von mindestens 18 Monaten wird ihr Lachen dem der Erwachsenen immer ähnlicher, wie die Wissenschaftlerinnen im Fachblatt „Biology Letters“ berichten. Wahrscheinlich beruht dieser Prozess sowohl auf anatomischen Veränderungen als auch auf sozialem Lernen durch den Kontakt mit den Eltern.

„In unserer Studie haben wir untersucht, wie sich das Lachen in der frühkindlichen Entwicklung des Menschen verändert“, schreiben Mariska Kret von der Universität Leiden und ihre Kolleginnen. Sie werteten Videoaufnahmen lachender Säuglinge und Kleinkinder aus, die zwischen 3 und 18 Monate alt waren. Einschätzungen von 117 Männern und Frauen – darunter 15, die sich beruflich mit Phonetik beschäftigten – lieferten Angaben darüber, wie groß jeweils der Anteil des Lachens war, der beim Ausatmen oder beim Einatmen erzeugt wurde. Eine andere Gruppe von 102 Personen beurteilte, inwieweit ein Lachen angenehm und ansteckend wirkte.

Mit zunehmendem Alter des Kindes erhöhte sich auch der Anteil des Lachens, bei dem ausgeatmet wurde, so wie es die Erwachsenen immer tun. Zudem wirkte diese Form des „erwachsenen“ Lachens auf andere stärker positiv als das Lachen beim Einatmen. „Unsere Ergebnisse weisen auch auf eine wahrscheinliche Rolle von sozialem Feedback bei der Entwicklung des Lachens“, schreiben die Autorinnen. Positive Reaktionen von Mutter und Vater könnten also die Veränderung der Lachtechnik antreiben, zumal Eltern und Kind besonders häufig miteinander lachen. Schon in einem Alter von sechs Monaten ahmen Kinder Laute ihrer primären Bezugspersonen nach und nehmen deren positive Reaktionen darauf wahr. Auf diese Weise könnten sie auch das ausatmende Lachen der Erwachsenen durch Imitation erlernen. Parallel dazu verändert sich in dieser Entwicklungsphase die Anatomie des Vokaltrakts, der bei Neugeborenen zunächst noch dem von Menschenaffen sehr ähnlich ist.

Formen des Lachens haben sich bei in Gruppen lebenden Affen und Nagetieren entwickelt. Ansteckendes Lachen hat die Funktion, soziale Beziehungen zu knüpfen und zu festigen. Das war auch für die Evolution des Menschen von großer Bedeutung und diente dem Zusammenhalt der Gruppe.

© Wissenschaft aktuell

Gestörte Darmflora bei autistischen Kindern

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Zu schwache Aktivität einiger Darmbakterien könnte die normale Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen – Neue Möglichkeiten einer frühzeitigen Therapie

Autistisch: nicht krank, sondern anders.

Autistisch: nicht krank, sondern anders.

© MissLunaRose12 / Creative Commons Lizenz CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Hongkong (China) –

Autismus-Spektrum-Störungen haben genetische Ursachen, der genaue Mechanismus der Krankheitsentstehung ist aber unbekannt. Bei den Betroffenen ist die normale Entwicklung des Gehirns in den ersten Lebensjahren gestört, was sich dauerhaft auf bestimmte Verhaltensweisen auswirkt und die Fähigkeit zu sozialen Beziehungen beeinträchtigt. Einige Funktionen des Gehirns werden auch durch Stoffwechselprodukte der Darmflora beeinflusst, die sich ebenfalls in der frühen Kindheit entwickelt. Jetzt gibt es neue Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Merkmalen dieses sogenannten Mikrobioms und einer autistischen Störung: Erkrankte Kinder lassen sich durch das Artenspektrum ihrer Darmbakterien deutlich von gesunden unterscheiden, berichten chinesische Forscher im Fachblatt „Gut“. Eine mikrobiologische Analyse von Stuhlproben könnte daher eine Diagnose der Krankheit erleichtern und vielleicht sogar eine frühzeitige Therapie durch Normalisierung der Darmflora ermöglichen.

„Veränderungen des Darm-Mikrobioms in der frühen Lebensphase könnten eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Autismus-Spektrum-Störung spielen“, schreiben die Wissenschaftler um Siew Ng von der Chinese University of Hong Kong. Ihre Ergebnisse unterstützen einen derartigen Zusammenhang, ohne aber eine ursächliche Beziehung nachzuweisen. Mit molekularbiologischen Methoden untersuchten sie Stuhlproben von 146 Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren, von denen die Hälfte an einer autistischen Störung erkrankt war.

Durch Ermittlung der Keimzahlen von 26 Bakterienarten ließ sich erkennen, ob sich im gewählten Altersabschnitt eine insgesamt normale oder eine für Autismus typische Darmflora entwickelt. Für den statistischen Zusammenhang waren auch Alter und Body-Mass-Index (BMI) von Bedeutung, nicht aber die Ernährung der Kinder. Bei autistischen Kindern wurde beispielsweise ein höherer Anteil an Clostridien und ein geringerer Anteil an Bakterien der Gattung Faecalibacterium im Mikrobiom nachgewiesen als bei gleichaltrigen gesunden Kindern. Clostridien können nervenschädigende Toxine produzieren. Faecalibakterien setzen Buttersäure frei, ein Stoffwechselprodukt, das mit dem Blut in das Gehirn gelangt und die Funktion von Hirnzellen positiv beeinflusst. Auch die Zahl anderer Bakterien, deren Aktivität für die Bildung von Botenstoffen im Gehirn wichtig ist, war im Mikrobiom autistischer Kinder verringert.

Schließlich identifizierten die Forscher fünf Bakterienarten – darunter Arten der Gattungen Eubacterium und Streptococcus – die als Krankheitsindikatoren geeignet sind. Den Anteil dieser Bakterien in einer Stuhlprobe zu ermitteln, reichte aus, um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine autistische Störung zu diagnostizieren. Das bestätigten Stuhluntersuchungen bei 18 weiteren Kindern mit acht Fällen von Autismus. Die Verabreichung fehlender Darmbakterien oder Medikamente, die eine zu geringe Aktivität von Neurotransmittern normalisieren, wären mögliche neue, früh einzusetzende Behandlungsstrategien. Zunächst sind aber weitere Studien nötig, um die ursächliche Zusammenhänge zu bestätigen.

© Wissenschaft aktuell

Menschliches Antibiotikum wirkt wie ein Detergens

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Ein von normalen Körperzellen produziertes antimikrobielles Protein zerstört die fettartigen Bestandteile der Bakterienzellwand, so wie es waschaktive Substanzen bei Fettflecken tun

Das antimikrobielle Protein APOL3 (grün) hat die Membran (rot) des Bakteriums durchdrungen.

Das antimikrobielle Protein APOL3 (grün) hat die Membran (rot) des Bakteriums durchdrungen.

© R. Gaudet et al./Science 2021

New Haven (USA) –

Die in Reinigungsmitteln enthaltenen waschaktiven Detergentien haben neben ihrer fettlösenden auch eine antimikrobielle Wirkung: Sie durchdringen die Lipidschicht von Zellmembranen und können dadurch Viren und Bakterien abtöten. Jetzt haben amerikanische Mediziner entdeckt, dass Bakterien, die in menschliche Zellen eingedrungen sind, die Produktion eines Proteins auslösen, das auf ähnliche Weise gegen die Krankheitserreger wirkt. Unterstützt durch andere antibakterielle Faktoren, zerstört das Apolipoprotein APOL3 die doppelte Membran der Zellwand von Salmonellen und anderen gramnegativen Bakterien, berichten die Forscher im Fachjournal „Science“. Ein besseres Verständnis dieser Form der sogenannten zellautonomen Immunabwehr, die unabhängig von Immunzellen funktioniert, könnte helfen, neue Therapien gegen Infektionen zu entwickeln.

„In diesem Fall produziert der Mensch sein eigenes Antibiotikum in Form eines Proteins, das wie ein Detergens wirkt“, sagt John MacMicking von der Yale University in New Haven. Wenn Krankheitserreger in unseren Körper eindringen, lösen sie Alarmsignale aus, die zum einen das Immunsystem aktivieren. Zum anderen schaltet dabei einer der Botenstoffe, das Interferon-Gamma, auch zahlreiche Gene normaler Körperzellen ein, wodurch diese Zellen eigene Abwehrmechanismen in Gang setzen. Während Haut- und Schleimhautzellen antimikrobielle Peptide freisetzen, um Erreger außerhalb der Zellen anzugreifen, erfordert es andere Verteidigungsmaßnahmen, wenn Bakterien bereits in das Zellinnere eingedrungen sind.

Mit menschlichen Zellkulturen untersuchten MacMicking und seine Kollegen, welche Gene durch Interferon-Gamma aktiviert werden. Eines der etwa 19.000 identifizierten Gene bewirkte die Produktion des Apolipoproteins APOL3 in Zellen unterschiedlicher Gewebe. Wie bei einem Detergens zeigte die Molekülstruktur dieses Proteins einen wasserlöslichen und einen fettlöslichen Abschnitt. Mit dem fettlöslichen Molekülteil kann das Protein in die fettartige Lipidschicht biologischer Membranen eindringen, was den Zerfall der Membranstruktur bewirkt. Das konnten die Forscher mit Hilfe spezieller Techniken der Lebendmikroskopie auch direkt sichtbar machen, als sie Zellen mit Salmonellen (Salmonella enterica serovar Typhimurium) infizierten. Nach einer Schädigung der äußeren Bakterienmembran durch andere Faktoren zerlegte APOL3 die innere Membran in kleine Stücke. Doch dabei muss die Zelle ihre eigenen Membranen schützen: Der nur für menschliche Membranen typische Cholesteringehalt sowie bestimmte bakterielle Membranbestandteile stellen sicher, dass sich der Angriff nur gegen die Bakterien richtet. APOL3 war allein gegen solche gramnegativen Bakterien wirksam, die im Laufe der Infektion in das Zytoplasma von Körperzellen eindringen.

„Die Ergebnisse bestätigen die Ansicht, dass jede Zelle des Körpers ein Teil des Immunsystems sein kann“, kommentiert Carl Nathan vom Weill Cornell Medical College die Forschungsarbeit. Die Auflösung der Zellmembran sei – neben der Perforation der Membran, dem Aushungern und dem Vergiften – eine der wenigen Methoden, um Krankheitserreger zu töten. Weitere Forschungen könnten neue Therapien ermöglichen, die die natürliche Immunantwort des Körpers auf Infektionen unterstützen. Das wäre umso wichtiger, als immer mehr Erreger gegen die verfügbaren Antibiotika resistent geworden sind.

© Wissenschaft aktuell

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