Entzündungshemmung und Stärkung geschwächter Immunfunktionen könnten die im Alter nachlassenden kognitiven Fähigkeiten wiederherstellen
Eine Fehlfunktion von Mikrogliazellen (braun gefärbt) könnte das Nachlassen geistiger Fähigkeiten im Alter verursachen.
© Grzegorz Wicher / gemeinfrei
Stanford (USA) –
In höherem Alter verschlechtern sich das Erinnerungsvermögen und andere kognitive Hirnfunktionen. Dabei spielen offenbar vermehrte chronische Entzündungsreaktionen eine Rolle, die auch an der Entwicklung verschiedener Krankheiten wie Arteriosklerose und Krebs beteiligt sind. Das Nachlassen geistiger Fähigkeiten muss jedoch nicht unumkehrbar sein, wie amerikanische Forscher jetzt in „Nature“ berichten. Durch eine medikamentöse Behandlung ist es ihnen gelungen, die geschwächte Gedächtnisleistung alter Mäuse wieder auf das Niveau junger Tiere anzuheben. Die Therapie bestand darin, bei bestimmten Immunzellen die Funktion eines entzündungsfördernden Botenstoffs aus der Gruppe der Prostaglandine zu blockieren. Dieser Befund könnte auch für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie der Alzheimer Demenz von Bedeutung sein.
„Wenn man das Immunsystem wieder richtig einstellt, kann man damit das Gehirn verjüngen“, sagt Katrin Andreasson von der Stanford University, die Leiterin des Forscherteams. „Wie unsere Arbeit zeigt, muss der Verlust kognitiver Fähigkeiten im Alter nicht dauerhaft sein, sondern könnte durch Blockade des entzündungsfördernden Prostaglandin E2 rückgängig gemacht werden.“ Prostaglandin E2 (PGE2) verstärkt Entzündungsreaktionen zur Abwehr von Krankheitserregern und Fremdstoffen. Der Botenstoff wird insbesondere von Makrophagen, Zellen des angeborenen Immunsystems, freigesetzt und führt zu Gewebeschwellungen, Rötung und verstärktem Schmerzempfinden. Makrophagen zirkulieren mit dem Blut durch den ganzen Körper. Im Gehirn übernehmen die Mikrogliazellen ihre Funktion. Prostaglandin E2 entfaltet seine in dieser Arbeit untersuchte Wirkung, indem es über den Rezeptor E2 an der Außenmembran der Immunzellen ankoppelt und dadurch Reaktionen in der Zelle auslöst.
Die Forscher stellten fest, dass Makrophagen von über 65-Jährigen deutlich mehr PGE2 produzierten als Makrophagen von jungen Erwachsenen. Die vermehrte Freisetzung des Botenstoffs schwächte die energieerzeugenden Reaktionen der Immunzellen und verstärkte Entzündungsprozesse. Bei alten Mäusen zeigten nicht nur die Makrophagen im Blut einen gestörten Energiestoffwechsel, sondern auch die Mikrogliazellen im Gehirn. Diese Defekte ließen sich durch einen Hemmstoff beheben, der die Bindung zwischen PGE2 und der Andockstelle E2 verhinderte. Das verringerte auch die übermäßigen Entzündungsreaktionen. So behandelte ältere Tiere schnitten bei Orientierungs- und Gedächtnistests besser ab als gleichaltrige normale Mäuse und erzielten dieselben Leistungen wie junge Mäuse. Ein bei diesen Experimenten erfolgreich eingesetzter Hemmstoff war nicht in der Lage, in das Gehirn einzudringen. Wieso er trotzdem auch die Funktion der Mikrogliazellen normalisieren konnte, ist bisher nicht geklärt.
Wenn sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, könnte eine medikamentöse Blockierung des E2-Rezeptors von Makrophagen und Mikrogliazellen chronische Entzündungsreaktionen bei älteren Menschen verringern und gestörte kognitive Hirnfunktionen wiederherstellen. Das würde wahrscheinlich auch das Risiko für neurodegenerative Hirnkrankheiten senken.