Computersimulation liefert eine Erklärung dafür, warum es für die Frauen der frühen Menschen vorteilhafter war, wenn die fruchtbaren Tage ihres Zyklus‘ nicht sichtbar waren
Die Schwellung des Genitalbereiches des Pavianweibchens signalisiert Paarungsbereitschaft.
© Prakhar Amba from Agra, Gandhinagar / Creative-Commons-Lizenz CC BY 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de
Tempe (USA) –
Bei Schimpansen oder Pavianen erkennen die Männchen die Empfängnisbereitschaft der Weibchen an Schwellungen der Genitalregion. Bei Menschen dagegen gibt es keine deutlich sichtbaren Merkmale für den Zeitpunkt des Eisprungs (Ovulation), mit dem eine Eizelle zur Befruchtung bereit steht. Einer verbreiteten Hypothese zufolge profitierte die Frau von der sogenannten verdeckten Ovulation, weil sie dadurch die Zeiten erhöhter sexueller Attraktivität nicht nur auf die fruchtbaren Tage im Menstruationszyklus beschränkte und eine längere Zweierbeziehung mit dem potenziellen Vater ermöglichte. Das könnte das Engagement des Mannes für die Partnerin und den gemeinsamen Nachwuchs verstärkt haben. Jetzt haben amerikanische ForscherInnen Abläufe evolutionärer Prozesse im Computer simuliert, deren Ergebnisse eine alternative Erklärung unterstützen. Wie sie im Fachblatt „Nature Human Behaviour“ darlegen, verringerte die verdeckte Ovulation möglicherweise aggressives Verhalten rivalisierender Frauen, was für die biologische Fitness der Gemeinschaft von Vorteil gewesen ist.
„Unsere Arbeit verweist auf eine notwendige veränderte Sicht darauf, wie sich Menschenfrauen in der Evolution entwickelt haben“, sagt Athena Aktipis von der Arizona State University in Tempe. Bisher seien diese Prozesse vielfach zu sehr aus einer männlichen Perspektive betrachtet worden. Aber Rivalitäten innerhalb der Gruppe sowie die Wahl zwischen kooperativem oder aggressivem Verhalten dürften auch für die Frauen typisch gewesen sein. Einerseits würden Frauen, die ihre fruchtbaren Tage klar erkennen ließen, in dieser Zeit das verstärkte sexuelle Interesse der Männer auf sich ziehen. Andererseits zögen sie dadurch aber auch häufiger feindselige Aktionen der dann weniger attraktiven Frauen auf sich. Die „Hypothese der weiblichen Rivalität“ besagt, dass Frauen von einer verdeckten Ovulation profitiert hätten, indem sie vor sozialer Ausgrenzung und anderem aggressiven Verhalten konkurrierender Frauen geschützt waren.
Die ForscherInnen prüften diese Hypothese mit Computersimulationen. Dabei wurden in virtuellen Szenarien Männer und Frauen einer Gruppe von Frühmenschen mit bestimmten Eigenschaften und Verhaltensregeln ausgestattet. So erhöhte sich die sexuelle Attraktivität bei äußerlich erkennbarer Ovulation um 25 Prozent. Bei Frauen mit verdeckter Ovulation blieb die jeweilige Attraktivität im Laufe des Zyklus unverändert. Männer verhielten sich entweder promiskuitiv, wobei sie keine Partnerbindung eingingen und sich nicht um ihre Kinder kümmerten. Oder sie ließen sich auf Zweierbeziehungen ein und halfen bei der Versorgung der Kinder. Frauen verhielten sich entweder stark oder schwach aggressiv gegenüber Rivalinnen. Ihre Aggressionen richteten sich entweder gegen attraktivere Frauen allgemein oder speziell gegen Frauen mit erkennbarer Ovulation. Opfer von Aggressionen verloren an Attraktivität.
Die verschiedenen im Computerprogramm simulierten evolutionären Entwicklungen waren mit der „Hypothese der weiblichen Rivalität“ eher in Einklang zu bringen als mit der „Hypothese des männlichen Investments“: Frauen mit verdeckter Ovulation litten weniger unter Aggressionen und hatten mehr Nachkommen. Dieser Vorteil verringerte sich allerdings, wenn das Ausmaß der Promiskuität der Männer zunahm. Im Unterschied zur vorherrschenden Meinung hätten also Frauen ihren Eisprung nicht vor den Männern, sondern vor den anderen Frauen verborgen, schreiben die Autoren. Die beiden untersuchten und weitere Hypothesen zur Erklärung der verdeckten Ovulation müssten sich aber nicht gegenseitig ausschließen.
Das Forscherteam vermutet, dass es bei den Frauen der frühen Menschen zumindest geringe sichtbare Merkmale gab, die einen Eisprung signalisierten. Diese hätten sich dann mit der Zeit zurückgebildet. Heute entwickeln Frauen zwar kaum noch körperliche Zeichen, dafür aber andere Veränderungen – und zwar im Körpergeruch, in Stimme, Physiognomie und Verhalten –, die auf eine Ovulation schließen lassen.