Abstand halten im Lokal: Alkohol lässt Fremde näher rücken

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Studie bestätigt, dass gemeinsamer Alkoholkonsum die normale körperliche Distanz zu fremden Menschen verringert und damit eine Übertragung von Coronaviren über die Atemluft verstärken könnte

Alkohol bringt Menschen näher zusammen.

Alkohol bringt Menschen näher zusammen.

© Jakob Montrasio / Creative-Commons-Lizenz CC BY 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Champaign (USA) –

Wenn Menschen zusammenkommen, die sich nicht kennen, halten sie ganz automatisch einen Mindestabstand voneinander ein. Doch beim gemeinsamen Alkoholkonsum kann sich das sehr schnell ändern, wie eine amerikanische Studie jetzt durch konkrete Messdaten bestätigt. Schon nach einer halben Stunde kamen sich zwei einander fremde, am Tisch sitzende Testpersonen im Schnitt um etwa 9 Zentimeter näher. Ein längeres Zusammensein dürfte den körperlichen Abstand wohl weiter verringern. Dadurch würde sich das Risiko einer Coronavirusübertragung durch einen Infizierten merklich erhöhen, schreiben die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“. Waren die zwei Probanden befreundet, hatte der Alkoholgehalt der Getränke keinen Einfluss auf die in diesem Fall von Anfang an geringere körperliche Distanz.

„In einer gut besuchten Bar und bei lauter Musik würden die Leute wahrscheinlich noch enger zusammenrücken als in unserem Labor“, sagt Catharine Fairbairn von der University of Illinois in Urbana-Champaign. In ihrer Studie saßen sich jeweils zwei junge Erwachsene an einem runden Tisch mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern gegenüber, was die körperliche Annäherung im Vergleich zur Situation in einer Kneipe stärker einschränkte. Bei der Diskussion von Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie wurde der Alkoholkonsum in Gaststätten stillschweigend mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Allerdings gab es bisher noch keine Studien, die den Einfluss von Alkohol auf körperliche Distanz durch objektive Messungen nachgewiesen haben.

An der Untersuchung beteiligten sich 212 Männer und Frauen im Alter zwischen 21 und 30 Jahren, die in vier Gruppen aufgeteilt wurden. Zwei davon bildeten Paare von Personen, die sich nicht kannten, die beiden anderen Gruppen bestanden aus Paaren von Freunden. Die Testpersonen saßen sich eine halbe Stunde lang an einem Tisch im Labor gegenüber. In dieser Zeit wurde ihnen in drei Portionen entweder ein alkoholisches oder ein alkoholfreies Getränk serviert. Die konsumierten Alkoholmengen waren so berechnet, dass der Blutalkoholgehalt auf etwa 0,8 Promille stieg. Die Probanden konnten frei miteinander kommunizieren. Dabei zeichneten Videofilme die Bewegungen von Kopf, Armen und Beinen auf. Eine computergestützte Bildauswertung ermittelte daraus, wie sich der Abstand zwischen beiden Personen im Beobachtungszeitraum veränderte.

Bei Testbeginn betrug der Abstand zwischen den Probanden im Schnitt 1,40 Meter. Kannten sich die beiden, nahm diese Distanz schnell ab und zwar unabhängig von der Art der Getränke. Waren sich beide fremd, näherten sich ihre Körper bei Konsum alkoholfreier Getränke kaum. War jedoch Alkohol im Spiel, rückten sie innerhalb von zehn Minuten jeweils drei Zentimeter näher. In einem Zeitraum von drei Stunden würde so die körperliche Distanz um mehr als 50 Zentimeter verkürzt, schreiben die Autoren. Offenbar bewirke die enthemmende Wirkung des Alkohols, dass sich der natürliche Sicherheitsabstand gegenüber einem Fremden verringert. In der Coronapandemie könnte daher ein Alkoholausschank dazu beitragen, die Abstandsregeln zu missachten und so eine Virusübertragung zwischen sozialen Gruppen zu begünstigen, die zuvor nur wenig Kontakt untereinander hatten.

© Wissenschaft aktuell

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