Krebsmittel umgewandelt zum Antibiotikum gegen resistente Keime

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Chemisch veränderter Proteinkinasehemmer wirkt auch gegen MRSA-Staphylokokken in Biofilmen – Tierversuche verliefen erfolgreich

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von intakten (blau) und durch PK150 zerstörten (rot) Zellen von multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA)

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von intakten (blau) und durch PK150 zerstörten (rot) Zellen von multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA)

© Manfred Rohde / HZI

München –

Die Entwicklung neuer, dringend benötigter Antibiotika erfordert aufwendige und langwierige Verfahren. Um dabei Zeit und Geld zu sparen, kann man für andere Zwecke bereits zugelassene Medikamente daraufhin überprüfen, ob sie auch antibiotisch wirksam sind. So haben deutsche Chemiker jetzt ein Krebsmittel aus der Gruppe der Proteinkinase-Inhibitoren identifiziert, das multiresistente Staphylokokken vom Typ MRSA abtötet. Durch chemische Veränderungen konnten sie dessen Wirksamkeit noch um das Zehnfache steigern, wie sie im Fachblatt „Nature Chemistry“ berichten. Auch Bakterien, die in Biofilmen vor anderen Antibiotika geschützt waren, ließen sich durch das neue Mittel eliminieren. In Tierversuchen erwies sich der Wirkstoff als effektiv und gut verträglich, klinische Studien stehen aber noch aus.

„Als Folge der chemischen Veränderungen des Ausgangsmoleküls hemmt der neue Wirkstoff PK150 keine menschlichen Kinasen mehr, sondern zielt auf ganz spezielle Angriffspunkte in Bakterien“, sagt Stephan Sieber von der Technischen Universität München. Sein Forscherteam testete 232 kommerzielle Kinase-Inhibitoren auf eine antibiotische Wirkung gegen multiresistente MRSA-Staphylokokken. Die stärkste Wirksamkeit gegenüber zehn MRSA-Stämmen zeigte Sorafenib (Handelsname: Nexavar), welches das Tumorwachstum hemmt und in Tablettenform verabreicht wird. Aus 72 chemisch hergestellten Varianten des ursprünglichen Moleküls ermittelten die Chemiker die als PK150 bezeichnete optimal wirksame Form. Die Substanz stört offenbar gleich mehrere biochemische Reaktionsabläufe, die für Bakterien lebensnotwendig sind. So führt die Hemmung eines Enzyms dazu, dass zu wenig Menachinon gebildet wird. Die Aktivierung eines anderen Stoffwechselweges bewirkt einen übermäßigen Transport von Proteinen aus der Zelle. Möglicherweise gibt es noch weitere Wirkmechanismen, die für das Absterben der Staphylokokken verantwortlich sind.

Die bisher therapeutisch eingesetzten Antibiotika blockieren entweder den Bau der Bakterienzellwand oder die Herstellung von Proteinen und DNA oder sie greifen die Zellmembran an. Doch dabei können mit der Zeit jeweils genetisch veränderte resistente Keime entstehen. Diese Resistenzbildung ist bei dem neuen Wirkstoff erschwert, da dieser nicht nur einen, sondern mehrere sehr verschiedene Angriffspunkte hat. Tatsächlich ist es den Forschern nicht gelungen, in Laborkulturen Staphylokokken zu erzeugen, die gegen PK150 resistent geworden waren. Das Mittel wirkte auch gegen besonders hartnäckige Bakterien, die in einen Ruhezustand übergegangen sind, in dem sie den üblichen Antibiotika widerstehen können. Die Staphylokokken waren auch in Biofilmen nicht geschützt, die ansonsten eine antibiotische Behandlung erschweren. Intravenös oder oral verabreicht, zeigte PK150 eine gute Wirksamkeit gegen Staphylokokkeninfektionen bei Mäusen, ohne dass starke Nebenwirkungen ausgelöst wurden. Nach Abschluss weiterer Untersuchungen an Tieren könnten erste klinische Studien beginnen.

© Wissenschaft aktuell

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