Menschen schreien aus sechs Gründen

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Während Affen und andere Säugetiere Schreie meist als Alarmsignal einsetzen, können Menschen damit sehr unterschiedliche Emotionen ausdrücken – auch positive Gefühle

„Der Schrei“ (Ausschnitt), Gemälde von Edvard Munch (1910)

„Der Schrei“ (Ausschnitt), Gemälde von Edvard Munch (1910)

© gemeinfrei

Zürich (Schweiz) –

Bei Säugetieren dienen laute Rufe meist als Alarmsignale, die Artgenossen vor einem Räuber oder einer anderen Gefahr warnen. Dagegen können Schreie von Menschen ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, wie schweizerische Forscher jetzt im Fachblatt „PLoS Biology“ berichten. Dabei sind menschliche Gefühlsäußerungen in Form unkontrollierter Schreie nicht immer nur mit negativen Gemütserregungen wie Angst, Schmerz, Wut und Trauer verbunden. Sie können auch Ausdruck positiver Emotionen wie Freude und Lust sein. Wie die Wissenschaftler überrascht feststellten, werden alarmierende Schreie langsamer und mit größerer Fehlerrate erkannt und lösen geringere Hirnaktivitäten aus als andere Schreie. Eine Erklärung dafür wäre, dass im Lauf der Evolution Warnrufe für das Sozialleben des Menschen an Bedeutung verloren haben.

„Menschen können genau wie Tiere durch Schreie Gefahr signalisieren. Aber anscheinend setzen nur Menschen Schreie auch dafür ein, um positive Emotionen wie extreme Freude und Lust zu signalisieren“, sagt Sascha Frühholz von der Universität Zürich. Er und seine Kollegen untersuchten, wie viele Arten menschlicher Schreie es gibt, wie sicher Testpersonen diese unterscheiden können und welche Hirnregionen an der Verarbeitung solcher akustischen Signale beteiligt sind. Dazu erstellten sie zunächst Tonaufnahmen unterschiedlicher Schreie. Zwölf Männer und Frauen sollten sich in Situationen hineinversetzen, in denen sie mit einem kurzen Schrei reagierten. Zu den vorgegebenen Situationen zählten beispielsweise: ein Angriff durch eine bewaffnete fremde Person, Jubel über einen sportlichen Sieg der Lieblingsmannschaft, das Einschüchtern eines Gegners oder große Lust beim Sex.

Aus den Aufnahmen wählten die Forscher schließlich 420 Schreie aus, die einzeln oder paarweise jeweils für die Dauer von 800 Millisekunden in gleicher Lautstärke anderen Testpersonen vorgespielt wurden. Daraus ermittelten sie sechs unterscheidbare Kategorien von Schreien, darunter drei von alarmierendem Charakter (Schmerz-, Wut- und Angstschreie) und drei nicht alarmierende Schreie (als Ausdruck großer Lust, extremer Freude und verzweifelter Traurigkeit). Vier der Schreitypen drücken negative, die anderen beiden positive Emotionen aus. Entgegen aller Erwartung reagierten die Versuchspersonen auf nicht alarmierende Schreie schneller und erkannten die damit ausgedrückte Emotion zuverlässiger als bei alarmierenden Schreien. Das bestätigten auch Aufnahmen des Gehirns mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT): „Die Hirnareale im vorderen Großhirn, in der Hörrinde und im limbischen System waren bei erfreuten beziehungsweise nicht alarmierenden Schreirufen viel aktiver und stärker vernetzt als bei Alarmrufen“, betont Frühholz.

Bisher gingen Forscher davon aus, dass auch der Mensch in Form von Schreien wahrgenommene Alarmsignale besonders schnell erkennt und verarbeitet, da dies ein wichtiger Überlebensmechanismus sei, sagt Frühholz. Doch im Gegensatz zu Affen und anderen Säugetieren hätten für Menschen nicht alarmierende Schreie – darunter solche mit positiven Emotionen – eine größere Bedeutung für die Kommunikation erlangt. „Diese veränderte Priorität beruht wahrscheinlich auf Erfordernissen, die sich bei der Evolution komplexer sozialer Beziehungen des Menschen entwickelt haben.“

© Wissenschaft aktuell

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